Grundinformationen
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte ist Bestandteil der Persönlichkeitsentwicklung jedes jungen Menschen. Bei diesem notwendigen Prozess im Rahmen der Entwicklung der eigenen Individualität geht es vor allem darum, sich selbst zu verstehen und anzunehmen sowie den eigenen Platz in der Gesellschaft zu finden. Dieser Prozess erreicht in der Pubertät und der Adoleszenz seine Höhepunkte.
Bei Adoptierten erweitern sich die Themen um die Auseinandersetzung mit den leiblichen Eltern und deren Motiven für die Adoptionsentscheidung. Im Mittelpunkt steht dabei die Suche nach den eigenen biologischen und sozialen Wurzeln sowie die Verarbeitung der schmerzlichen und kränkenden Erfahrung, weggegeben bzw. verlassen worden zu sein. Realitätsnahe Informationen über die damalige Lebenssituation der leiblichen Eltern sowie etwaige persönliche Kontakte zu diesen können für Adoptierte hilfreich sein, die Hintergründe der Entscheidung der leiblichen Eltern nachzuvollziehen und sich damit auseinander zu setzen. Viele Adoptierte begeben sich deshalb irgendwann auf die Suche nach ihren Herkunftseltern.
Diese Suche ist oft mit Angst und Verunsicherung verbunden. Adoptivkinder benötigen in dieser Phase die akzeptierende und verständnisvolle Begleitung ihrer Adoptiveltern. Adoptierte berichten immer wieder, dass es entlastend ist, wenn die Adoptiveltern diese Suche zulassen und unterstützen können.
Adoptierten kann die oft schmerzliche Auseinandersetzung mit ihrer Lebensgeschichte nicht dadurch erspart werden, dass sie über die Tatsache ihrer Adoption nicht aufgeklärt werden. Viele Adoptierte ahnen nämlich auch ohne die entsprechenden Informationen ihrer Adoptiveltern, dass es ein Geheimnis um ihre Abstammung gibt. Spätestens bei der Ausstellung einer Abstammungsurkunde (z. B. im Zusammenhang mit einer Heirat) erfahren sie, wer ihre leiblichen Eltern sind. Wird die Tatsache der Adoption nicht von den Adoptiveltern, sondern von Dritten eröffnet, erleben Adoptierte dies als massiven Vertrauensbruch und wenden sich möglicherweise vollständig von ihren Adoptiveltern ab. Langjährige Erfahrungen zeigen, dass eine frühzeitige Aufklärung dazu beiträgt, einen offenen und ehrlichen Umgang mit der Adoptionsthematik zu ermöglichen und gleichzeitig das Vertrauen der Adoptierten in die Adoptiveltern zu stärken.
Viele leibliche Eltern begeben sich ihrerseits auf die Suche nach ihren adoptierten Kindern. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen leibliche Eltern Kontaktwünsche ihres Kindes nicht zulassen können oder wollen. Die Gründe hierfür können individuell sehr unterschiedlich sein. In der Vergangenheit wurden Adoptionen häufig vor dem gesamten sozialen Umfeld geheim gehalten. "Abgebende" Mütter wurden als "Rabenmütter" diskriminiert. In manchen Fällen wurde die Schwangerschaft verheimlicht, so dass niemand von der Existenz des Kindes erfahren hat. Es ist auch möglich, dass leibliche Mütter die Adoptionsfreigabe verdrängt haben. Der Kontaktwunsch des Kindes kann bei diesen Ausgangssituationen als Bedrohung erlebt werden.
Rechtliche Informationen
In rechtlicher Hinsicht sind folgende Rahmenbedingungen zu sehen:
- Grundsätzlich schützt das sog. "Adoptionsgeheimnis" die Adoptivfamilie vor Ausforschungen Außenstehender. Tatsachen, die geeignet sind, die Adoption und ihre Umstände aufzudecken, dürfen nur offenbart oder ausgeforscht werden, wenn das Adoptivkind und die Annehmenden zugestimmt haben (§ 1758 Bürgerliches Gesetzbuch).
- Demgegenüber steht das Grundrecht von Adoptierten auf Kenntnis der eigenen Abstammung. Das Bundesverfassungsgericht leitet dieses Recht in ständiger Rechtsprechung (z. B. Urteil vom 31.1.1989) aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG) ab. Für die Praxis bedeutet dies, dass zumindest volljährige Adoptierte bei ihrer Suche nach der Herkunft von den Adoptionsvermittlungsstellen grundsätzlich auch gegen den Willen der Adoptiveltern unterstützt werden können. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung bedeutet nicht, dass die Adoptionsvermittlungsstellen jede erdenkliche Nachforschung anstellen müssten, um die Herkunft zu klären. Es schützt aber davor, dass den Suchenden Informationen vorenthalten werden, über welche die Adoptionsvermittlungsstelle bereits verfügt.
- Seit 1.1.2002 ist gesetzlich vorgeschrieben, dass Akten über die Adoptionsvermittlung 60 Jahre ab Geburtsdatum des Kindes aufbewahrt werden müssen. Wird die Adoptionsvermittlungsstelle aufgelöst, sind die Akten derjenigen Stelle zu übergeben, die ihre Aufgaben übernimmt. Anderenfalls sind sie der zentralen Adoptionsstelle des Landesjugendamts zu übergeben (§ 9b Abs. 1 Adoptionsvermittlungsgesetz).
- Wenn Adoptierte das 16. Lebensjahr vollendet haben, haben sie ein Recht auf Akteneinsicht in die Vermittlungsakte, soweit sie deren Herkunft und Lebensgeschichte betrifft. Die Akteneinsicht erfolgt unter Anleitung einer Fachkraft der Adoptionsvermittlungsstelle. Die Datenschutzbelange und Persönlichkeitsrechte z. B. der leiblichen Eltern oder der Adoptiveltern müssen dabei beachtet werden. Angaben zur Lebensweise der Mutter oder zu mutmaßlichen Vätern, deren Vaterschaft nicht feststeht, sind daher nur zulässig, wenn eine Einwilligung vorliegt oder das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung im konkreten Einzelfall höher zu bewerten ist als das Interesse der Betroffenen an einer Geheimhaltung. Insofern ist durch die Fachkraft eine entsprechende Güterabwägung vorzunehmen (§ 9b Abs. 2 Adoptionsvermittlungsgesetz).
- Adoptierte können ab Vollendung des 16. Lebensjahrs ohne Zustimmung ihrer Adoptiveltern in den Geburtseintrag Einsicht nehmen oder eine Abstammungsurkunde erhalten. Aus diesen Dokumenten gehen die damaligen Personalien der leiblichen Eltern hervor (§ 61 Abs. 2 Personenstandsgesetz).
Ansprechpartner
- Adoptierte können sich grundsätzlich an die Adoptionsvermittlungsstelle des örtlichen Jugendamts oder eines freien Trägers wenden. Hier erhalten sie Beratung zu ihrem Anliegen. Für die konkrete Suche ist eine Nachfrage bei der Vermittlungsstelle sinnvoll, die die Adoptionsvermittlung durchgeführt und die Adoptionsakte geführt hat (häufig am damaligen Wohnort der leiblichen Mutter oder der Adoptiveltern).
- Liegt die Adoption schon längere Zeit zurück, existiert evtl. keine Vermittlungsakte mehr oder sie enthält keine aussagekräftigen Informationen. Außerdem war bei Adoptionen, die vor 1977 durchgeführt wurden, evtl. keine Adoptionsvermittlungsstelle beteiligt. Die Adoption erfolgte damals noch durch einen notariellen Vertrag, der vom Amtsgericht bestätigt wurde. Eine Nachfrage beim beteiligten Gericht kann hier möglicherweise weiterführen.
- Das Geburtenbuch wird beim Standesamt des Geburtsorts geführt.
- Ansprechpartner von Selbsthilfegruppen Adoptierter können bei den örtlichen Adoptionsvermittlungsstellen oder bei den zentralen Adoptionsstellen der Landesjugendämter erfragt werden.
Aufgaben des Landesjugendamts
Die Zentrale Adoptionsstelle des Landesjugendamts unterstützt als Fachbehörde die Tätigkeit der Adoptionsvermittlungsstellen der Jugendämter und der freien Träger durch Beratung der Fachkräfte, Bereitstellung von Materialien sowie der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsveranstaltungen.
Das Landesjugendamt kann in Einzelfällen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, z. B. wenn keine zuverlässigen Angaben zur beteiligten örtlichen Adoptionsvermittlungsstelle oder zum Geburtsort vorhanden sind.
Zu den oben angesprochenen Themen können Adoptionsakten konkrete Hinweise enthalten. Möglicherweise hat die leibliche Mutter einen Brief oder Fotos für ihr Kind in der Akte hinterlassen. Um die spätere Suche zu erleichtern, wird in der heutigen Vermittlungspraxis bereits zum Zeitpunkt der Adoptionsfreigabe mit den leiblichen Eltern geklärt, wie sie zu einer späteren Kontaktaufnahme durch ihr Kind stehen und welche Informationen bei einer Akteneinsicht an das Kind weitergegeben werden dürfen.
Adoptierte können sich mit ihrem Anliegen der Suche nach der Herkunftsfamilie an die Adoptionsvermittlungsstelle wenden und erhalten dort Beratung und Unterstützung. Soweit dies gewünscht wird, versucht die Adoptionsvermittlungsstelle, den ersten Kontakt mit den leiblichen Eltern herzustellen.
www.blja.bayern.de
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